Zurück im Süden Vietnams ist der Verkehr immer noch stark. Obwohl es offensichtlich keine Verkehrsregeln gibt, sieht das ganze „smooth“ aus. Fußgänger müssen nicht warten, bis es grün wird. Sie gehen einfach. Man wird sich schon irgendwie gegenseitig ausweichen. Scheint zu funktionieren. Trotzdem gibt es nirgendwo sonst auf der Welt so viele Verkehrstote wie hier in Vietnam. Über zwölftausend sind es jährlich. Neben den Scheinwerferlichtern zieren leuchtende Bögen, Blumen und Lichterketten das Stadtbild. Die Kulisse wird von Wolkenkratzern, deren Glasfassaden selbst in der Nacht zu glänzen scheinen, und Videowalls, die man vom Piccadilly Circus oder dem Times Square kennt, ergänzt. Hell erleuchtet sind auch Technikgeschäfte, die sich über etliche Stockwerke ziehen und riesige Flachbildfernseher und die neuesten iPhones anbieten. Vor McDonalds sitzen zwei Männer in Uniform. Sie passen auf die dutzenden Mopeds auf, die vor dem Fastfood-Restaurant geparkt sind.
Es geht weiter durch die Straßen Habana Viejas. Jugendliche spielen hier Fußball. Die Fassadenbögen sind zum Teil abgebröckelt. Zum Teil sind sie türkis, gelb oder rosa. Wäsche hängt an den Fenstern. Einige Männer basteln mitten auf der Straße an einem Motorrad herum. Sie rauchen dabei. Richtung Kapitol wird es wieder touristischer. Vorbei am „El Floridita“, ebenfalls Stammlokal von Hemingway, stehen pinke Oldtimercabrios. Die Autos sind so stark poliert, dass sich ihre Fahrer darin spiegeln. Sie lehnen lässig an den Autos und warten auf Touristen, die eine Stadtrundfahrt machen wollen. Einen kurzen Fußweg entfernt liegt das Revolutionsmuseum. Wenn man die Eingangshalle betritt, stechen einem vier Karikaturen ins Auge. Ronald Reagan, Fulgencio Batista und George Bush mal zwei – Senior und Junior. Betitelt werden sie als „cretins“, also „Idioten“. Auf George W.s Helm ist ein Hakenkreuz. Unter den Namen stehen Danksagungen. Ohne den Feind hätte es keine Revolution gegeben.
Broschen mit Che und Castro
Alte Kameras, Fotos, Broschen mit Che und Castro. Am Flohmarkt von Havanna bekommt man alles, was das kommunistische Herz begehrt. Ich habe gerade einen goldenen Stern in der Hand, als der Verkäufer meint, er würde alles für mein Guns N‘ Roses-Shirt tun. Er liebe diese amerikanischen Rockbands. Hier in Kuba bekomme man aber keine Fanartikel. Stolz erzählt er mir von seinem Schatz und holt ein Buch heraus. Ein sehr junger Sting ist auf dem Cover zu sehen. Seine Augen strahlen, als er durch das „The Police“-Fanbuch blättert. Etwas später schlagen die Wellen auf den Ufermauern auf. Die Malecons, eine Uferstraße, die von der Altstadt Havannas bis ins Viertel Vedado führt, wirken endlos. Ein Pärchen sitzt eng umschlungen da und sieht in Richtung Ozean. 169 Kilometer entfernt, am anderen Ende, befindet sich Key West, Florida. Wieder hört man „Chan Chan“ aus einem Autoradio. Nostalgisch ist es hier. Als wäre man abgeschottet vom Rest der Welt. Ist man irgendwie auch: Internet gibt es kaum. Morgen geht es weiter nach Varadero.
Hammer und Sichel an jeder zweiten Laterne
Es ist vier Uhr zehn. Wir werden mit Modern Talking aus dem Schlaf gerüttelt. Überall sind pinke, blaue und grüne Lichter. Im Nachtbus von Dong Hoi nach Hanoi ist es plötzlich ganz laut, während die Straßen draußen noch ganz leer sind. Fünf Stunden später ist auch Hanoi erwacht. Auch hier gibt es einige Hochhäuser, viele Mopeds und noch mehr Menschen. Dennoch ist es irgendwie ruhiger hier. An den Ecken wird Kaffee getrunken und Rindfleischsalat gegessen. Rote Flaggen mit Hammer und Sichel oder Stern hängen wie in ganz Vietnam an jeder zweiten Laterne. Vor einer großen Lenin-Statue fahren Kinder in bunten Plastik-Autos herum. Die Rosen auf dem Platz sind zu einer kommunistischen Flagge angeordnet. Am Abend wird Silvester nach dem chinesischen Jahr gefeiert. Die Straßen rund um den Hoan-Kiem-See sind gesperrt. Unzählige Luftballone in Ziegenform sind zu sehen. Neben Familien sind viele Jugendgruppen unterwegs. Die Mädchen sind von Kopf bis Fuß gestylt – Mode-Blogger hätten hier ihren Spaß. Um Zwölf gibt es ein riesiges Feuerwerk. Fast jeder macht Bilder mit seinem Smartphone und stellt diese gleich auf Facebook. Betrunken ist hier außer ein paar Touristen niemand. Um halb eins verlassen die Menschenmassen die Straßen und fahren auf ihren Mopeds nach Hause. Wieder sind die Straßen leer.
Putin im All-Inclusive Club
Geschrei. Ein Oldtimercabrio kommt uns in Varadero entgegen. Vier Touristen gröhlen in einer Sprache, von der sie denken, es sei spanisch, zu „Guantanamera“ mit, während sie mit Rosen um sich schlagen. Der Fahrer lacht verhalten. Sie fahren in die andere Richtung. In die Richtung, in der eine Hotelburg an die nächste anschließt. Zum Frühstück gibt es Ham and Eggs, zu Mittag Pizza und Spaghetti. Am Nachmittag sonnt man sich neben gefühlten tausend anderen Touristen aus aller Welt. Abends wird dann „Mister Hotel“ gewählt. Betrunkene Russen haben sichtlich ihren Spaß dabei. Auf die Frage des Animateurs, wer der attraktivste Mann aller Zeiten wäre, sagt die dralle Blondine: Putin, und kann sich dabei kaum auf ihren Beinen halten. Dann spielt es wieder „Chan Chan“ und man trinkt fertig gemixte Mojitos.
Titelbild:(c) Naomi Tomsu